Talentmanagement: ein zunehmend strategisches Konzept

Sandrine Roux, Group General Secretary and Patrizia Fratini, Group Head of HR at Banque Havilland

Auch Banken bleiben vom Talentwettbewerb auf den Luxemburger und Europäischen Märkten nicht verschont. Die wachsende Konkurrenz betrifft heute jede Art von Funktion und Dienstalter und führt zu Lohninflation.

Zusammen mit anderen Faktoren ist diese Tendenz hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und des Landes besorgniserregend, wie die Luxemburger Handelskammer es kürzlich bereits betont hat. Was können unsere Firmen auf mikroökonomischer Ebene unternehmen, um marktfähig zu bleiben?

Die Wertschätzung der Manager

Talentmanagement beginnt mit der Schulung und Entwicklung der Manager. Wir stellen in der Tat fest, dass ihre Rolle noch wichtiger ist in einem Umfeld von ganzzeitlicher oder teilweiser Telearbeit. Während der Pandemie konnten wir beobachten, dass verschiedene Mitarbeiter von Natur aus fähige Manager waren, die die neuen Kommunikationsformen gut zu meistern wussten und eine Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle finden konnten. Wir schulen unsere Manager in der Entwicklung ihrer Fähigkeit, die Bedürfnisse ihrer Teams zu erkennen und eine Kultur von konstruktivem Feedback zu fördern. So können wir Personalaustritte begrenzen und Manager und Führungskräfte zu loyalen Verhaltensweisen ermutigen, die unsere Mitarbeiter aufwerten und ihre « Mitarbeitererfahrungswerte » verbessern.

“Aufsichtsrat und Vorstand sind sich zunehmend über die strategische Rolle des Personalmanagements bewusst; dies bedeutet parallel, dass auch mehr von dieser Funktion erwartet wird.”

SANDRINE ROUX & PATRIZIA FRATINI

Die Ursachen von Austritten verstehen

Wenn man von Mitarbeitererfahrung spricht, denkt man eher an Programme zum Onboarding und zur Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, als an Offboarding.

Allerdings braucht es zur Steuerung und zum Erhalt von Talenten auch gute und prozessübergreifende Praktiken. Diese werden vom Unternehmen beim Austritt einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters eingesetzt, sei es bei einem freiwilligen oder bei einem unfreiwilligen Austritt. Der Arbeitgeber kennt nicht immer die wirklichen Ursachen.

Während sich der Arbeitgeber oftmals den Austritt eines Arbeitnehmers durch ein unwiderstehliches Angebot zu erklären vermag, liegen in den meisten Fällen die tieferen Beweggründe bei fehlender Anerkennung oder Nicht-Sichtbarkeit von Karrierechancen. Tatsächlich gibt es aber auch Lohninflation und Fälle, bei denen die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter eine erhebliche Lohnerhöhung bei der Annahme eines neuen Jobs erhält.

Individuelle Gespräche mit den abgehenden Personen und die Ermutigung zum Ausfüllen eines Exit-Fragebogens ermöglichen es nicht nur herauszufinden, wie die Person selbst ihr Offboarding empfindet, sondern auch deren verbleibende Kollegen. Der Vorstand erhält dadurch bessere Informationen über die Austrittsgründe und kann entsprechende Aktionspläne erarbeiten.

Die Entwicklung einer Arbeitgebermarke

Talente anzuwerben und zu halten erfordert zwingend auch eine Stärkung der Arbeitgebermarke.

Hierfür arbeiten unsere Personalabteilungsmitarbeiter zusammen mit unseren Marketingteams an einer klaren und kohärenten Kommunikation. Darüber hinaus achten wir sehr darauf, wie wir auf die Bewerber zugehen, indem wir Verbindungen aufbauen und Nähe halten zu den in der wachsenden und sich ändernden Gemeinschaft schon vorhandenen Talenten. Die Bank muss die interne Beschreibung ihrer Hauptstärken auch in ihre Arbeitsfelder, ihre Beziehungen zu den Mitarbeitern sowie ihre Managementprinzipien umsetzen. Wir müssen aufmerksam sein, was die Gemeinschaft zu sagen hat sei es über Kommentare in sozialen Netzwerken oder von Kandidaten, die für eine Stelle angesprochen wurden.

Die Unternehmensbindung der Mitarbeiter

Die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen ist eine wesentliche Komponente der Personalerhaltung. Kooptation, interne Umfragen, Individual- oder Gruppenschulung in technischen, Verhaltens- oder sprachlichen Bereichen vervollständigen das Aktionsangebot, so wie etwa unser CSR Programm (Corporate Social Responsibility) in dem jeder sich menschlich engagieren kann und so seine Werte mit denen des Unternehmens verknüpfen kann. Auch das Mentoringprogramm ist eine Personalbeschaffungsmaßnahme, die nach Ankunft des Kandidaten gewährleistet, dass die Integration des neuen Mitarbeiters den Erwartungen von sowohl Mitarbeiter(in) und Manager(in) entspricht. Zuletzt hat unsere Bank beschlossen sich nicht an der Konkurrenz zu messen, sondern sich auf ihr inner game (inneres Spiel) zu konzentrieren, ein auf die ‘70er Jahre zurückgehendes Konzept von Tim Gallwey, dem Vater des modernen Coachings.  Das « innere Spiel » beruht auf der These, dass die Leistungsfähigkeit einer Person sich erhöht, wenn sie wertfreies Feedback bekommt. Anders ausgedrückt geht es darum, ihre Arbeit zu bewerten und parallel ihre persönliche Entwicklung zu ermöglichen. Ohne Zweifel ist dies einer der Schlüssel eines erfolgreichen Talentmanagements. In dem sie unserer Vorstellung des inneren Spiels folgen, werden unsere Manager am Jahresende über ihre Managementfähigkeiten bewertet. Diese Zielsetzung wurde in eine der CSR Komponenten unserer Bewertungsformulare eingegliedert.

Die Personalbeschaffungsprozesse

Vor dem Hintergrund des bestehenden Kampfes um Talente, ist die Personalabteilung gefordert, eine wachsende Zahl von freien Stellen zu besetzen.

Auch hier glauben wir, dass das Unternehmen sich selbst in Frage stellen und seine Prozesse anpassen muss. Anpassungen unserer Einstellungspraktiken an diese Änderungen, beispielsweise in dem die Herangehensweise der Manager bei Einstellungsgesprächen unter die Lupe genommen wird, verleihen die hierfür notwendige Bescheidenheit. Zum Beispiel kann die Neuformulierung einer Stellenbeschreibung gegebenenfalls die Chancen auf zahlreichere Bewerbungen erhöhen. Die Personalabteilung hat hier eine beratende Rolle gegenüber dem Management hinsichtlich Form und Inhalt der Rekrutierung.

Von wesentlicher Bedeutung ist es auch, dem Kandidaten die richtige Person gegenüberzusetzen, um die gewünschte Vielfalt von Profilen in einem Team zu erzielen.

Letztendlich können diejenigen Unternehmen, die bereit sind, weniger erfahrene, aber motivierte und karriereorientierte Arbeitnehmer, auch während einer beruflichen Reorientierung, einzustellen, gute Kandidaten im aktuellen Markt anziehen.

Dieser ganzheitliche Ansatz, von der Stellenbeschreibung bis hin zur Eingliederung des Mitarbeiters, gewährleistet, dass die beidseitige Wahl von Mitarbeitern und Bank die Beste ist.

Die Entwicklung der Rolle der Personalabteilung

Das Aufgabengebiet der Personalabteilung ist seit der COVID Krise sehr exponiert. Aufsichtsrat und Vorstand sind sich zunehmend über die strategische Rolle des Personalmanagements bewusst; dies bedeutet parallel, dass auch mehr von dieser Funktion erwartet wird. Die Personalabteilung, als wichtiger Akteur im Management, muss insbesondere die Frequenz und die Angemessenheit ihres Reportings anpassen.

Seit den Theoretikern Mayo und Maslow der Schule für Personalmanagement hat sich die Rolle der Personalabteilung zunehmend vergrößert und ihr Arbeitsfeld hat sich erweitert. Zweifellos wird die Bedeutung des Personalmanagements während der kommenden Jahre weiterhin wachsen infolge der Entwicklungen der Arbeitsformen, der verstärkten Digitalisierung und der Auswirkungen der künstlichen Intelligenz.

Dennoch dürfen menschliche und kulturelle Aspekte nicht vernachlässigt werden und mehr als je wird die Personalabteilung gefordert sein, zuzuhören und auf den Sozialdialog zwischen den Mitarbeitern einzugehen. Außer diesen Qualitäten wird es dem Metier heute abverlangt, Zahlenangaben sinnvoll zu nutzen, die strategischen Prioritäten des Arbeitgebers zu verstehen und die Auswirkungen der Entwicklungen der Mitarbeiterkompetenz auf die Produktivität des Unternehmens zu erkennen.


(source: AGEFI Luxembourg)