«Turning the page of the bank»

Das Ruder der Bank herumgerissen

Zorica Lipovac ist eine der wenigen Frauen in Liechtenstein, die in einer hohen Führungsposition im Finanzwesen tätig sind.

Frau Lipovac, warum haben Sie sich für eine berufliche Laufbahn im Finanzwesen entschieden?
Zorica Lipovac, Deputy CEO Banque Havilland (Liechtenstein) AG: Bereits in frühen Jahren habe ich mein Flair für Zahlen entdeckt und fand die ganze Systematik dahinter sehr spannend, hatte aber auch viele andere Interessen. Dass es schliesslich das Finanzwesen wurde, liegt wahrscheinlich daran, dass ich aus einer Unternehmerfamilie komme. Da gibt es natürlich auch nach Feierabend noch Gespräche, in denen es häufig um finanzielle Angelegenheiten geht, somit wurden mir die verschiedenen Themen bereits in jungen Jahren näher gebracht.

Was fasziniert Sie daran?
Wenn man sich mit der Finanzwelt auseinandersetzt, erstaunt es immer wieder, wie die Mechanismen funktionieren und die Kräfte zusammenspielen. Zudem war es mir immer wichtig, mit Menschen zusammenzuarbeiten und Freude bei der Arbeit zu haben. Die Finanzwelt wird nie langweilig, da sie so breit gefächert ist, viele Facetten zeigt und überall Anwendung findet.

Sie waren wesentlich an der Integration der Banque Havilland Liechtenstein beteiligt. Wie kam es dazu?
Zuvor war ich einige Jahre als Head der Internen Revision tätig, kannte sowohl die Prozesse als auch die Bank sehr gut. Daher wurde ich damals gefragt, ob ich bereit wäre, den Verkaufsprozess für die Banque Havilland (Liechtenstein) AG vorzubereiten und mitzubegleiten. Jede Aufgabe war in sich sehr anspruchsvoll und lehrreich. In einem nächsten Schritt ging es darum, die Bank in die Gruppe zu integrieren und ein gemeinsames Verständnis der neuen Strategie zu erlangen und auch lokal einzubetten. Da die Käufer mit dem Ergebnis sehr zufrieden waren, wurde ich kurzerhand gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, als Chief Operations Officer in die Geschäftsleitung zu wechseln.

Was ging in Ihnen vor?
Ich erinnere mich, wie ich nach Hause fuhr und mich fragte, ob das nun wirklich passiert war, und überlegte, ob ich bereit dazu bin. Die Bank schrieb damals über 4,1 Millionen Franken Verlust. Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, das Ruder herumzureissen.

Und doch haben Sie sich dafür entschieden.
Ich sprach mit meiner Familie und sie hat mich darin bestärkt, mich der Herausforderung zu stellen. Ich sagte zu und krempelte mit meinen Kollegen und Kolleginnen die Ärmel hoch. Das Gefühl war einzigartig. Wir hatten viele schwierige Entscheidungen zu treffen, aber mit jedem Erfolg stieg das Selbstbewusstsein und der Stolz über das Erreichte. Nur ein Jahr später wurde ich aufgrund der weiteren Erfolge zum Deputy Chief Executive Officer ernannt, was ein weiterer Meilenstein für mich war.

Welche lehrreichen Erfahrungen konnten Sie mitnehmen?
Dieses Gespräch ist nun über sechs Jahre her und ich lerne immer noch jeden Tag dazu. Ich habe gelernt, dass man nur gemeinsam stark sein kann und dass es immer einen Weg gibt, auch wenn er manchmal versteckt ist.

In Liechtenstein wie auch in der Schweiz sind Frauen in Führungspositionen meist untervertreten. Wie nehmen Sie dies wahr?
Für mein Empfinden ist das sehr schade und die Unternehmen sollten sich unbedingt in die bereits eingeschlagene Richtung weiterentwickeln und Frauen weiter fördern. Für mich geht es aber nicht nur darum, dass die Frauen in Führungspositionen untervertreten sind, sondern das Schlagwort ist Diversität.

Also die Vielfalt im Allgemeinen.
Homogene Gruppen denken und verhalten sich in der Regel sehr ähnlich. Jedoch bin ich fest davon überzeugt, dass man sich nur durch verschiedene Meinungen hinterfragen und weiter entwickeln kann. Am besten decken alle zusammen möglichst viele verschiedene Eigenschaften ab. Ich bin mir sehr sicher, dass vor allem auch Frauen viele neue Ideen in die Führungsebene bringen und erfolgreich umsetzen können und werden, da liegt noch jede Menge Potenzial brach. Ich hoffe wirklich, dass noch viel mehr die gleiche Chance bekommen werden, wie ich sie damals bekam.

Das Geschlecht ist nur ein Teil davon.
Wir brauchen die Erfahrung der älteren Generationen, die neuen Ideen der jüngeren Nachkommen, aber auch die Vielfalt der Facetten der verschiedenen Geschlechter und Menschen. Alles zusammen ergibt schliesslich das perfekte Resultat, damit ein Unternehmen erfolgreich ist und sich von anderen abhebt, sichere Arbeitsplätze bietet und die Menschen, die daran teilhaben, glücklich macht.

Spüren Sie Diskrepanzen der Geschlechter in der Finanzwelt?
Natürlich gibt es Diskrepanzen, aber ich würde nicht sagen, dass diese unbedingt auf dem Geschlecht beruhen. Menschen sind verschieden, und das ist auch gut so. Ich bin überzeugt, dass man davon wegkommen muss, die Diskrepanzen negativ zu sehen und die verschiedenen Talente besser nutzen sollte. Wieso sollte jemand nur aufgrund des Geschlechtes, seines Passes oder seines Alters nicht die gleiche Chance erhalten, um eine Führungsrolle zu übernehmen, wenn die Leistung stimmt? Für mich ergibt das keinen Sinn. Viele verschiedene Kenntnisse und Fähigkeiten müssen vorhanden sein, um in der schnelllebigen Welt mithalten zu können.

Mussten Sie sich als Frau in der Bankenwelt anders behaupten als Ihre männlichen Berufskollegen?
Meiner Meinung nach ist es in der Bankenwelt nicht anders als in anderen Branchen oder auch im privaten Umfeld. Denn es kommt auf die Menschen an, die man trifft, und wie sie über die Thematik denken. Wenn ich auf meine Laufbahn zurückblicke, kann ich sagen, dass es karrieretechnisch glücklicherweise bei mir persönlich nie ein Thema war, da die Menschen, die mich beurteilt haben und auch heute noch beurteilen, die Leistung und die Arbeit bewerten. Wahrscheinlich wäre ich heute aber nicht in dieser Position, wenn ich nicht auf diese getroffen wäre.

War das Geschlecht also nie ein Thema?
Wenn ich an manche Situationen oder Diskussionen in meinem Leben denke, gab es sicherlich den einen oder anderen Hinweis darauf, dass vielleicht bei einem Mann anders reagiert worden wäre. Die Bilanz ist aber nicht zwingend negativ, manchmal hat man vielleicht Vorteile und manchmal Nachteile. Ich versuche, meine Erfahrungen zu teilen. Als ich damals übernahm, war ich eine der wenigen Frauen, die zu dem Zeitpunkt in einer solchen Position gemeldet waren. Die Kommunikation ist sehr wichtig in diesen Bereichen, und das gegenseitige Verständnis muss gefördert werden. Ich freue mich jedes Mal darüber, wenn ich lese, dass noch mehr Frauen dazukommen. Es braucht immer Menschen, die an einen glauben, und genau das lasse ich in meinen Führungsstil einfliessen.

Ist es bereits vorgekommen (bezogen auf das Management), dass Männer auf Sie anders reagiert haben oder Ihnen das Gefühl vermittelt haben, Sie nicht ernst zu nehmen?
Man hat täglich mit verschiedenen Charakteren zu tun und was das Gegenüber genau denkt, weiss man natürlich nie. Entscheidend ist für mich, ob das Ziel der Sache zur Zufriedenheit von allen Personen erreicht wurde. Am Ende ist es so, dass man sich in der Position einfach durchsetzen muss.

Müssen Sie ein bestimmtes Verhalten oder Auftreten an den Tag legen?
Nein, ganz und gar nicht. Ich bin mir sicher, dass man den grössten Erfolg hat, wenn man authen tisch ist und sich selber treu bleibt. Als ich damals in die Position befördert wurde, hat man mich mit all meinen Eigenschaften gewählt. Das Verhalten kann und soll auch nicht gesteuert werden können, sonst gehen wir ja wieder in die Richtung, dass alle gleich werden.

Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, damit Führungspositionen für Frauen attraktiver werden?
Meiner Meinung nach sind die Führungspositionen grundsätzlich vom Beruf und der täglichen Arbeit her attraktiv. Problematischer scheinen eher die Hürden oder Ängste, die manche Menschen für sich oder andere sehen, und diese sollten vermehrt ausgeräumt werden. Hier denke ich besonders an die Arbeitsmodelle, die etwas flexibler ge staltet werden sollten, um allfällige Sorgen aller Beteiligten zu überwinden. Natürlich muss man eine gewisse Bereitschaft mitbringen für zusätzliche Arbeit, wenn sie anfällt, und eine gute Portion Stressresistenz besitzen. Aber ich denke nicht, dass man diese Eigenschaften nur als Mann mitbringt. Potenziale erkennen, jemandem die Chance bieten und diese selbst auch ergreifen, ist hier die Devise, und daran muss man glauben und arbeiten.

( source: Liechtensteiner Volksblatt )